
Mike Brauner und Mila Dahle von der TUI nehmen für den Nachhaltigkeitsbericht 2011 den ECON Award in Silber entgegen
Eine kleine Nachbetrachtung: Mein Debüt in der Jury des ECON-Awards hat richtig Spaß gemacht. War ich anfangs noch etwas skeptisch, immerhin sind neben dem Handelsblatt ein namhafter Verlag und das führende Beratungsunternehmen für Geschäftsberichte beteiligt, hatte sich diese Sorge in der Jurysitzung im Juli schnell zerstreut. Dort fand ich mich in einer Runde wieder, die sich nicht nur durch hohen Sachverstand auszeichnete, sondern vor allem durch große Unabhängigkeit und Offenheit für andere Meinungen. Vor allem stimmte hier rundum die Chemie. Professionelle Ernsthaftigkeit ging hier einher mit erfreulich kritischer Distanz zu Effekthascherei und vor allem – einer guten Portion Humor.
Wer hier eine Einflussnahme des Jury-Vorsitzenden Kirchhoff zugunsten eigener Produkte erwartet, sei nachhaltig enttäuscht. Nicht in einem einzigen Fall gab es einen Versuch, das Jury-Votum zu „gestalten“. Klaus Rainer Kirchhoff ist ohne Zweifel eine starke Persönlichkeit, die sich nicht scheut – wie in der Gala zu vernehmen war – auch mal mit einem kantigen Standpunkt zu polarisieren, sei es mit Kritik an der Regierungspolitik, an den Banken oder einfach mit seiner Abneigung gegen den FC Bayern München. Andersherum hat der Mann eine Freude am fundierten Widerspruch und dem inhaltlichen Disput. Nicht gerade der Typ, der sich mit Opportunisten umgibt und in Harmonie schwelgt. Da hieß es: Ring frei für die Argumente und Bewertungen der Juroren.
Es war schließlich ein gutes Gefühl, das „Line-up“ zur Preisverleihung am Donnerstagabend zu verfolgen. In meiner Kategorie der „CSR- und Nachhaltigkeitsberichte“ wurden zu Recht alle verfügbaren Preisqualitäten vergeben. (In fast allen Kategorien hatte die Jury mangels Qualität Mut zur Lücke bewiesen und auf einzelne Preisstufen verzichtet.) Sogar bei Betrachtung aller Einreichungen war festzustellen, dass sich gut vier Fünftel der Berichte locker von den gängigen, an GRI orientierten Durchschnittsprodukten, nach oben abheben konnten. Die Spitzenplatzierungen dieser Kategorie – Platin für BMW, Gold für Bayer, Silber für TUI, Bronze für den Flughafen München und sogar einen Special Award für die Österreichischen Bundesbahnen – markieren sehr deutlich, wohin die Reise geht: Volle Integration von Print- und Onlineberichterstattung lassen für die Zielgruppen kaum noch Wünsche offen. Die Konturen des Integrated Reports, der Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichterstattung zusammenführt, sind auch unterhalb eines weltweiten Standards schon gut erkennbar. Ansonsten vor allem viel Substanz. Nur bei den aktiven Dialogangeboten und dem Umgang mit Rückschlägen („Lowlights“) und kritischen Themen bleibt noch einiges Potenzial für zukünstige Einreichungen.
In seinem Dankwort sprach der Vertreter von Bayer sehr offen über das ungeliebte Baby der Kommunikation, den Nachhaltigkeitsbericht. Tatsächlich bietet ein solches Projekt für Kommunikatoren in der Regel mehr Risiken und Umsetzungsprobleme als echte Chancen, im Ergebnis für das Unternehmen mehr als einen Blumentopf zu gewinnen. Umso erfreulicher, dass sich immer wieder Unternehmen mit Anspruch, neuen Konzepten und Ressourcen dieser Herausforderung stellen. Diesen Mut hat der ECON Award am letzten Donnerstag wegweisend honoriert.
Und hier geht’s zu den Preisträgern und Bildern des Abends.
Wer sich Preisträger und nominierte Einreichungen näher ansehen möchte, dem sei das kiloschwere Jahrbuch Unternehmenskommunikation empfohlen. Neben einer anspruchsvollen Präsentation aller Wettbewerbsbeiträge findet sich hier auch ein lesenswerter Leitartikel der Journalistin und Nachhaltigkeitsexpertin Susanne Bergius zur möglichen Pflichtberichterstattung im Bereich gesellschaftlicher Verantwortung.