Unsere Landesregierung in NRW ist wirklich zu loben, dass sie dem Thema CSR und Wirtschaft große Aufmerksamkeit schenkt. Das grün-rote Tandem Svenja Schulze und Garrelt Duin geben sich sichtbar Mühe, den Dialog mit der Wirtschaft aus den Hinterzimmern der Ausschüsse und Lobbyisten heraus und in die öffentliche Diskussion zu führen. Der Kongress „Fortschritt gestalten“ im vergangenen Dezember war ein wichtiges Zeichen in Richtung Unternehmen und Bürger, dass angesichts schwieriger Zukunftsfragen, Politik mehr denn je der öffentlichen Rückkopplung bedarf. Leider sind die Angebote nicht immer hinreichend durchdacht. War der Kongress zwar in den Arbeitsgruppen hochwertig besetzt, fehlte es der Veranstaltung an einem überzeugenden Konzept den Dialog zu strukturieren und Input in den weiteren politischen Prozess zu integrieren. Hier vermissen wir bis heute eine angemessene Nachbearbeitung.
Gestern Abend nun stand das 6. Ständehausgespräch zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen auf der politischen Agenda der Landeshauptstadt. Zum Thema „Geschäft und Verantwortung im Fußball“ sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit Fußballvereine als Unternehmen diesen Erwartungen heute nachkommen. Ich war neugierig, ob die aufs Podium geladene Prominenz hier Licht ins Dunkel bringen konnte. Mit Hans-Joachim Watzke, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Borussia Dortmund, Michael Schade von Bayer 04 Leverkusen und Hans-Joachim Meyer, Präsidiumsmitglied von Borussia Mönchengladbach waren immerhin drei gestandene Vereinsmanager ins K21 gekommen. Verstärkt wurde die Runde von Christoph Metzelder, einem ehemaligen Spieler, der mit seiner „Christoph Metzelder Stiftung“ tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung leistet. Leider sollte die folgenden 60 Minuten darüber nicht geredet werden. Bereits in der Einstiegsrunde wurde schnell klar, dass sich die Vereinsmanager schwer tun, ihr Handeln in den Beziehungsmaßstäben von Unternehmen wiederzufinden. „Fans dürfe man nie das Gefühl geben, dass sie Kunden sind“, verkündete BVB-Manager Watzke (zuletzt mit dem BVB erst ECON Award-Preisträger als „Persönlichkeit des Jahres“) und ahnte wohl, welche Abgründe sich hinter den CSR-Erwartungen für Fußballunternehmen auftun.
Damit wollte sich das Publikum, - immerhin waren knapp 200 Gäste der Einladung gefolgt -, nicht zufrieden geben. Bereits die erste Frage eines Wirtschaftsprüfers erkundigte sich nach der Bereitschaft der Vereine, ihr Handeln in Nachhaltigkeitsberichten zu dokumentieren. Während Herr Watzke auf die allgemeinen Reportinganforderungen der GmbH & Co. KGaA, war auch Herr Schade froh, das Thema mit Verweis auf das Pflichtreporting des Bayer-Konzerns los zu sein. Aber welches Handeln? Es sollte mit der nächsten Frage schlimmer kommen: „Wie halten’s die Vereine mit der Ökologie?“ Den Massenveranstaltern dürfe es hier ja nicht an Herausforderungen, z.B. beim Nahrungsangebot mangeln. Das sahen die jedoch anders. Während Herr Schade sich den Hinweis auf sein Nichtraucherstadion aus den Rippen quälte, witterte Kommunikationstalent Watzke gleich eine politische Falle und stellte fest, dass in Dortmund jedenfalls kein „Veggie-Day“ geplant sei. Schließlich, so Meyer, kämen die Fans ja ins Stadion, um die Pflichten des Alltags mal hinter sich zu lassen.
Gänzlich zum Erliegen kam die Lust an der Verantwortung dann bei der Frage nach der Verantwortung für die Schwachen, die allsamstäglich vor den Stadien von als Fans verkleideten Gewalttätern verprügelt würden. Das sei nun mal ein „gesamtgesellschaftliches Phänomen“, das die Vereine nicht lösen könnten, war sich das Podium (zu schnell) einig. Immerhin hatte die Moderatorin für das letzte Drittel der Diskussion Nachsehen mit den Verantwortungsgeplagten. Da ging es nämlich nur noch um Art und Häufigkeit der Trainerentlassungen.
Ich weiß nicht, wer auf die Idee gekommen ist, ausgerechnet die spezielle Welt des Fußballs als Paradigma für unternehmerische Verantwortung heranzuziehen, aber der Versuch ist klar in die Hose gegangen. Es ist kaum zehn Jahre her, dass erste Fußballvereine professionelle Instrumente des Controllings einführten, geschweige denn sich an einem vergleichsweise jungen Konzept wie CSR orientieren. Gut gemeint, aber dieser Pass ging ins Leere.
CSR ist ein Geschäftsmodell, das sich an den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung orientiert. Das mag für viele Unternehmen einen wichtigen Beitrag zu den Geschäftszielen leisten, aber welche Vertrauenspotenziale sollen einem Ligaclub hierüber bitteschön den Klassenerhalt sichern oder das Stadion vollmachen? Vielleicht hätte man reden können über die soziale Verantwortung gegenüber den vielen Profi-Spielern, denen die zukunftssichernde Karriere versagt war, die heute entweder sportinvalide sind oder von Hartz IV leben müssen. Oder man hätte Christoph Metzelder aufzeigen lassen, wie ein erfolgreicher Fußballer der Gesellschaft etwas zurückgibt, in dem er sich für benachteiligte Kinder und Jugendliche engagiert und damit wiederum eine Vorbildfunktion in der eigenen Branche einnimmt. Außerdem: In jedem deutschen Traditionsverein gibt es auch eine Tradition der Jugendförderung. Die Vereine leisten hier einen wichtigen Beitrag zur Lösung sozialer Probleme im lokalen Umfeld. Dies ist aus dem Blickwinkel des Geschäftsmodells nichts anderes als Corporate Citizenship. Nur, dass man in den Vereinen weit davon entfernt ist, dies als Teil eines Geschäftsmodells zu definieren. Darüber aber hätte man reden können, denn hier verbinden sich Nachwuchsförderung mit gesellschaftlichem Nutzen.
Aber soziale Verantwortung für das geschasste Spitzenpersonal der Vereine? Das war dann doch der Zeitpunkt die Diskussion zu verlassen und draußen den Enten am Schwanenspiegel beim Wegdämmern zuzusehen.