Siri und Alexa heißen die ersten Promis der Szene. Einigermaßen geräuschlos sind sie in viele Haushalte eingezogen und unterstützen mit kleinen Online-Dienstleistungen den Alltag der Bewohner. Dass mit den beiden Sprachassistentinnen von Apple und Amazon gleichzeitig auch Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) Teil des Familienlebens wurden, realisieren die meisten eher noch nicht. „ KI“, das hört sich für viele bei uns wohl auch immer noch eher nach Science Fiction als nach Alltag an. Das passt ins Bild, gilt Deutschland doch auch nicht gerade als Pionier auf diesem Gebiet. Mittlerweile aber vergeht kaum ein Tag, ohne dass von KI die Rede ist. Intelligente Autos, intelligente Telefone, intelligente Computer und intelligente Überwachungssysteme - sie bestimmen zunehmend unser tägliches Leben. Die Fähigkeiten von Maschinen und Systemen, menschliches Verhalten nachzuahmen, nimmt rasant Fahrt auf und dringt in immer neue Bereiche vor. Ob in der Medizin, im Handel, im Haushalt oder im Verkehr - überall ist die KI auf dem Vormarsch. Der Siegeszug intelligenter Geräte scheint heute unaufhaltbar.
Aufregende neue Technologien und deren Bedeutung für die Kommunikationspraxis, das machten KI und ML denn auch zu einem spannenden Themenfeld für die zweite Ausgabe des „TecTalk Digitale Transformation“. crossrelations und der Industrie 4.0-Spezialist ITQ hatten für den 19. September Unternehmer, Wissenschaftler und Führungskräfte ins Duisburger Tec-Center eingeladen, um sich miteinander in schon eingespielt lockerer Atmosphäre von zwei ausgewiesenen Experten „aufschlauen“ zu lassen. Dabei war zu erwarten, dass auch die Gäste schon einiges an eigenem Know-how einzubringen hatten.
Frederik Bernard von der 40° GmbH, einem Labor für Innovation, eröffnete die Veranstaltung mit einem kurzweiligen Bericht zum Stand der Entwicklung bei „Microservices und KI zur effizienten Umsetzung von Service-Innovationen am Beispiel eines auf Watson basierenden Chatbots“. Bernard ist Ökonom und Berater und beschäftigt sich mit der Entwicklung von Innovationsstrategien insbesondere vor dem Hintergrund von Veränderungsprozessen und Identitätsstrategien. Anschließend zeigte André Reinecke von der tecRacer Consulting GmbH auf, wie mit Amazon Web Services neue Dimensionen bei Machine Learning und KI im Maschinen- und Anlagenbau erschlossen werden. Der Softwarespezialist und Cloud Consultant beschäftigt sich mit serverlosen Technologien zur Umsetzung komplexer, vielschichtiger und verteilter Systeme.
Maschinelles Lernen heißt immer wieder Daten vergleichen
Gleich zum Einstieg gibt Frederik Bernard Entwarnung: „Der Mensch denkt zwar wesentlich langsamer als ein Computer rechnet, doch er ist trotzdem viel schlauer.“ Und erklärt auch gleich warum. „Der Unterschied besteht im Lernen“, sagt der Innovationsexperte. „Der Mensch lernt aus Erfahrungen.“ Die Maschine braucht – wie auch das menschliche Hirn – Daten, um zu lernen. Je mehr desto besser. Doch der Lernprozess ist ein anderer. „Die Daten, zum Beispiel Bilder, werden in der Maschine klassifiziert, um daraus Muster ableiten zu können“, erläutert Bernard. Dafür nutzt sie Algorithmen, die – noch – von Menschen geschrieben werden. Je mehr Bilder von Gesichtern beispielsweise einer Maschine eingegeben werden, desto besser wird die Voraussage bei einer Abfrage nach einem bestimmten Merkmal. Bis zu 13 Stimmungen können moderne Spracherkennungssysteme heute unterscheiden. Und hierin besteht der große Vorteil: Verfügt die Maschine erst einmal über eine extrem große Datenmenge, kann sie, da sie diese schneller auswertet, auch schneller Unterschiede erkennen. Das ist gut, wenn es zum Beispiel um das Auffinden von Produktionsfehlern von Bauteilen geht. Oder um die vorausschauende Wartung von Anlagen (predictive maintenance). Oder auch um das frühzeitige Entdecken von Krankheitssymptomen. Verstehen kann die Maschine damit allerdings – noch – nicht, was auf den Bildern zu sehen ist.
„Möglich ist das heute alles, weil sowohl die Rechenleistung von Computern als auch kostengünstige Datenspeicherkapazitäten für die für maschinelles Lernen benötigte Verarbeitungsgeschwindigkeit inzwischen vorhanden sind“, weiß Bernard, warum KI auf einmal überall so ein großes Ding ist. Für die extremen Datenmengen sind übrigens keine Riesenserver mehr nötig. Sie werden auf viele Server verteilt in der Cloud gespeichert. Abschließend demonstrierte Bernard am Beispiel eines Chatbot des BarCamp Kiel, der in der IBM-Cloud angelegt ist, wie Trainingsarbeit und Anwendung beim maschinellen Lernen in der Praxis aussehen.
Künstliche Intelligenz ist nach wie vor von Menschen abhängig
„Das Training in der Cloud dauert aufgrund der großen Datenmengen in der Regel sehr lange“, sagt André Reinecke zu Beginn des zweiten Vortrags.
Aber was heißt in Zeiten der Digitalisierung schon lange? Und woher kommen die Daten für das maschinelle Lernen überhaupt? „Die Daten kommen aus ganz unterschiedlichen Quellen. Sie können von unseren Smartphones stammen oder einfach nur von ganz simplen Sensoren, die zum Beispiel Temperaturen messen“, so der Cloud-Spezialist. Konkret stellte Reinecke Machine Learning am Beispiel einer Glasflaschenproduktion vor. Es zeigte eindrucksvoll, wie komplex der Lernprozess im „deep learning“ ist, bis sich ein brauchbares Ergebnis einstellt. Alles hängt an der Qualität der Algorithmen, die – bisher – immer nur so gut sind, wie sie – von Menschen – programmiert wurden. Je mehr Schritte des Lernprozesses Reinecke zeigte, desto deutlicher wurde, dass das Training eines KI-Systems nicht eben einfach, schnell und garantiert mit erfolgreichem Ausgang zu sein scheint. Spätestens als Reinecke erklärte, welche Prozesse beim Machine Learning – ob nun mit Amazone Web Services oder einem anderen Cloud-Computing-Anbieter – ablaufen, war jedem klar, dass sowas höchste Ansprüche an die Entwickler stellt. Doch das Prinzip, wie und wobei die KI uns helfen kann, leuchtet auch ohne IT-Expertenwissen sofort ein.
Eine rundum bemerkenswerte Diskussion vertiefte die beiden Impulsvorträge und gab den Teilnehmern die Möglichkeit, eigene Erfahrungen im Umgang mit KI beizusteuern. Obwohl, oder vielleicht auch gerade, weil viele Teilnehmer über Expertenwissen verfügten, rückten sehr schnell ethische und soziale Aspekte der neuen Technologien in den Mittelpunkt der Erörterung. Softwarespezialisten erinnerten daran, dass Codes immer auch Fehler enthalten und die Verantwortungsfrage sich nie ganz auf Maschinen übertragen lassen wird. Klar wurde auch hier: Es geht letztlich immer um die kluge Abwägung von Nutzen und Risiken und das eine Gesellschaft ihre Maßstäbe im Blick haben muss. Kompetente Skepsis bleibt auch in Zukunft angebracht und KI darf nicht menschliche Verantwortung ersetzen. Aber sie kann den Alltag von Menschen in zahlreichen Situationen sinnvoll unterstützen. Dafür müssen aber auch Siri und Alexa noch eine Menge lernen.