Veränderte Marktbedingungen erfordern in den Führungsetagen von Kliniken ein neues Denken. Über die Voraussetzungen eines langfristigen Überlebens im Verdrängungswettbewerb sprachen wir mit Prof. Dr. Otto Foit, dem langjährigen Geschäftsführer des Herz und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen, unter dessen Führung sich die Klinik zum größten Herzzentrum Europas entwickelt hat.
Krankenhäuser in Deutschland befinden sich in einer Phase tiefgreifender Veränderung. Viele Krankenhausmanager müssen jetzt Wege finden, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und gleichzeitig ihr Angebot überarbeiten. Für manche kommunale Klinik stellt sich sogar die Existenzfrage. Werden wir jetzt weitere Wellen der Privatisierung erleben?
Es wird keine Tsunamiwelle der Privatisierung geben. Die kommunalen Krankenhäuser, die am finanziellen Tropf ihrer Träger hängen und kein überzeugendes Zukunftskonzept besitzen, stehen aber in der ernsten Gefahr, vom Markt zu verschwinden oder in private Trägerschaft überführt zu werden. Denn die Kommunen besitzen nicht die Mittel, dauerhaft die Defizite ihrer Kliniken auszugleichen.
Welche Fähigkeiten sind jetzt im Klinikmanagement gefragt?
Es gibt genügend Beispiele für wirtschaftlich wie medizinisch erfolgreiches Management in öffentlichen Kliniken. Diese Häuser zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine klare Strategie verfolgen und über professionelle Managementinstrumente verfügen. Nicht das Durchwurschteln und tägliche Improvisieren ist gefragt, sondern das Verfolgen von Unternehmenszielen im Rahmen eines Führungssystems, das Transparenz durch Information und Kommunikation sichert. Eine Einbeziehung der Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse, die Bereitstellung adäquaten betriebswirtschaftlichen Knowhows und die Förderungder Problemlösungskompetenz steigern die Motivation der Mitarbeiter und ihreIdentifikation mit dem Krankenhaus.
Kommunale Kliniken sind bis heute häufig Einzelkämpfer. Liegen hier nicht noch große Chancen in der Kooperation oder sogar in Zusammenschlüssen?
Eine zu schwach ausgeprägte Vernetzung bei der Patientengewinnung und zu wenig Kooperation, um Effizienzreserven im Prozess der Leistungserbringung zu erschließen, sind die häufigsten Ursachen dafür, dass Krankenhäuser in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Zusammenschlüsse oder Kooperationen erlauben eine Kompetenzbündelung und Zentralisierung bei vielen Aufgaben. Salopp gesagt: Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden, man macht in dem Verbund jeden Fehler nur einmal und erzielt Rationalisierungsvorteile, weil der erforderliche Overhead nur einmal, statt in jedem Einzelnen Haus, vorgehalten wird. Schließlich lassen sich durch fachliche Spezialisierungen Stärken besser entwickeln und die Mehrfachvorhaltung von vielfach unausgelasteter teurer Medizintechnik kann erheblich reduziert werden.
Marktbeobachter erwarten in den nächsten Jahren eine zunehmende Differenzierung über den Aufbau von Klinikmarken. Wird die Markenbildung zwangsläufig auch mit Spezialisierungen einhergehen müssen?
Das Gebot wirtschaftlicher Betriebsführung zwingt bereits zurfachlichen Spezialisierung, und diese wiederum lädt geradezu ein zur Profilierung bzw. Markenbildung. Es ist ein wechselseitiger Prozess: Markenbildung und Spezialisierung befördern sich gegenseitig. Die Krankenhauslandschaft hat in den vergangenen Jahren einen massiven Wandel vollzogen – weg von der Wahrnehmung eines Versorgungsauftrags hin zum Verdrängungswettbewerb. In diesem Wettbewerb zählt nicht nur die hervorragende Kompetenz von Ärzten und Pflegekräften, sondern in gleicher Weise die Marketingkompetenz. Unsere Strategien haben folglich auf Konzentration und Vernetzung unserer Angebote in einem Konzept „Markenmedizin“ zu zielen.
Viele der beschriebenen Veränderungen sind mit Investitionen verbunden. Angesichts der defizitären Bilanzen vieler Häuser: Woher soll das Geld kommen?
Angesichts leerer öffentlicher Kassen haben die Krankenhäuser grundsätzlich keine andere Chance, als aus eigenen Überschüssen die Investitionen zu finanzieren. Das ist nicht möglich mit einem „weiter so“, sondern bedarf in aller Regel eines radikalen Umbaus der Strukturen, der Prozesse und des Angebots. Nebeneiner gegebenenfalls erforderlichen Darlehensakquisition ist die Herbeiführung der Veränderungsbereitschaft der Belegschaft – das Changemanagement – die weitaus größere Herausforderung. Und über alle eifrigen Sparbemühungen sollte man nicht vergessen, dass ein Unternehmen nicht durch das Sparen, sondern durch Expansion wächst.
In den USA kann man die Ergebnisse eines radikalen Umbaus des Klinikumfeldes besichtigen. Werden auch hierzulande bald Mammografien in Shopping-Malls zum Angebot gehören?
Es ist auch bei uns nicht ungewöhnlich, dass Arztpraxen in oder im Umfeld von Einkaufszentren anzutreffen sind. Wie viel Sinn das macht, wird man im Einzelfall beurteilen müssen. Entscheidend ist meines Erachtens nach die Qualität der Untersuchungen und Behandlungen. Das heißt, sie sind von erfahrenem Fachpersonal und nicht von Verkäufern vorzunehmen
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Professor Dr. Otto Foit, Jahrgang 1947, hat in Bochum und München Wirtschaftswissenschaften studiert und an der Bergischen Universität Wuppertal promoviert. Nach seiner Tätigkeit als persönlicher Referent und Büroleiter des Oberstadtdirektors der Stadt Wuppertal übernahm er führende Positionen in den Kliniken der Stadt Wuppertal (bis 1988), im Klinikum Lippe Detmold (bis 1995) und im Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen (bis 2010). Professor Foit ist seit vielen Jahren Vorsitzender des Ausschusses Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände und Verhandlungsführer bei Tarifverhandlungen. Außerdem ist er Honorarprofessor der Universität Pécs in Ungarn.