Wenn Daten das Öl des 21.Jahrhunderts sind, dann wird die Fähigkeit, diese zu analysieren und visuell abzubilden zur Königsdisziplin der neuen Raffinerien. Balken- und Tortendiagramme à la Excel sind zwar bequem zu erzeugen, können aber immer weniger die Realitäten in Zeiten von Big Data befriedigend abbilden. Projekte und bisweilen ganze Geschäftsmodelle stehen zunehmend vor der Herausforderung große Datenmengen und damit verbundene Komplexitäten visuell aufzulösen. Die Bedarfsfelder für Informationsdesign in Unternehmen sind dabei vielfältig und reichen vom Controlling über die Produktion bis hin zum Customer Management.
Für uns ein guter Zeitpunkt, das Thema zum Auftakt unserer neuen Veranstaltungsreihe „TecTalk Digitale Transformation“ am 25. April auf die Agenda zu setzen. Knapp 20 Unternehmer und Führungskräfte waren der Einladung von crossrelations und des Industrie 4.0-Spezialisten ITQ ins Duisburger Tectrum gefolgt, um sich von einer der führenden Beraterinnen für Datenvisualisierung einen Überblick zu den Herausforderungen und Lösungsansätzen geben zu lassen.
Evelyn Münster bearbeitet als Data Visualization Designer anspruchsvolle Aufgaben in den Bereichen Datenprodukte, Data Science und Business Intelligence. „Datenvisualisierung“, sagt sie, „ist in vielen angrenzenden Berufen ein Thema, dem leider selten die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird.“ Das sollte zumindest heute Nachmittag in Duisburg anders sein. Ihre Gäste sind hochinteressiert und haben alle fachlich mit dem Thema schon zu tun.
Futter für die Mental Map
Im ersten Teil ihres Vortrags schlüsselte sie den Teilnehmern erst einmal auf, wie Lesbarkeit und Verständnis von Visualisierung eigentlich zustande kommen. Im Mittelpunkt steht dabei eine „Mental Map“, die über langjährige Lern- und Konditionierungsprozesse in den Köpfen der Leser hinterlegt wird. Sobald Daten visuell aufbereitet, also „kodiert“, werden, trifft dies in unseren Köpfen auf erlernte Mechanismen und Muster der „Dekodierung“. Balkendiagramm? Flow-Chart? Candlestick? Alles klar! Dummerweise stoßen diese Darstellungsformen zunehmend an ihre Grenzen. Insbesondere wenn es um große Datenmengen und komplexe Beziehungen geht, kommen herkömmliche Charts schnell an ihre Grenzen. Da werden Candlesticks schnell zu Nebelkerzen. Entwicklern und Unternehmen eröffnen sich damit echte Problemfelder: Potenziale für das eigene Geschäftsmodell bleiben möglicherweise unerkannt, oder Datenprodukte lassen sich nach außen unzureichend vermitteln oder plausibilisieren. Eindrucksvoll zeigt Evelyn Münster an Beispielen auf, wie Charts eher zu Missverständnissen und falschen Schlüssen führen.
Zeit für „Data Literacy“
Sie zeigt aber auch, wie es besser geht. Wie sich Daten und die damit verbundenen Informationen mit innovativen Ansätzen intelligenter und aussagekräftiger aufbereiten lassen. Dabei wird jedoch rasch deutlich, dass Betrachter in diese Darstellungen erst hineinfinden müssen. Die „Mental Map“ ist dafür noch nicht hinreichend entwickelt. Für die Expertin ein vertrautes „Gap“, das auch erklärt, warum die meisten Dashboards nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Alles erinnert ein wenig an das Kinderspiel „Ich sehe was, was du nicht siehst!“
Zusammen mit Partnern hat sie dafür einen „Data Literacy Test“ entwickelt, mit dem Unternehmen den aktuellen Status und damit die visuelleLiteralität ihrer Mitarbeiter erkunden und schließlich weiterentwickeln können. Schließlich zeigt sie auf, wie in Data Literacy-Workshops gezielt die Fähigkeit, komplexe Grafiken zu verstehen, trainiert und verbessert werden kann, um Unternehmen zu ermöglichen mit Hilfe von anspruchsvollen Visualisierungen immer komplexere Informationen zu kommunizieren, richtig zu interpretieren und souverän datenbasierte Entscheidungen treffen zu können.
Ein neuer Mindset für gutes Dataviz
Klar wird aber auch, dass innovative und wirkungsvolle Visualisierungen eine veränderte Herangehensweise an Datenprojekte und –produkte erfordern. Der beliebte Modus „Wir haben jetzt ein Jahr an diesen Daten gearbeitet und getüftelt und benötigen bis nächste Woche eine griffige Visualisierung“ (vulgo: Schönmachen!) begreift Visualisierung nur als ästhetische Komponente und wird nicht mehr funktionieren. Effektive Datenvisualisierung muss frühzeitig mit der Entwicklungsleistung einhergehen. Dafür bieten sich vor allem Entwicklungs- und Innovationsmethoden wie Design Thinking an, die es ermöglichen, bereits in frühen Produktkonfigurationen die Visualisierung zu berücksichtigen und am Verwender zu überprüfen.
Die Veranstalter sind mit dem Ergebnis des TecTalk-Debüts hoch zufrieden.
Andreas Severin von crossrelations resümiert: „Die Diskussionen haben gezeigt, dass Evelyn Münster hier an diesem Nachmittag den Nerv getroffen hat. Die Beiträge aus der Runde lassen erkennen, dass in den Unternehmen bereits viel darüber nachgedacht wird, wie sich die neue Komplexität visuell besser auflösen lässt. Solche Veranstaltungen sind wichtig, um den durch die Digitalisierung entstehenden neuen Kommunikationsbedarf zu klären.“
Der nächste TecTalk findet voraussichtlich in zwei Monaten statt.
Weitere Infos zum Thema: https://designation.eu/data-design/
Was ist der TecTalk?
Der TecTalk Digitale Transformation richtet sich an Führungskräfte von Unternehmen, die in besonderem Maße gefordert sind, die Effekte der Digitalisierung in ihrem Geschäftsmodell zu verarbeiten. Die Initiatoren des TecTalks Digitale Transformation, die Kommunikationsberatung crossrelations brandworks und der Industrie 4.0-Spezialist ITQ, geben mit diesem Format dem notwendigen disziplinübergreifendem Austausch eine Plattform. Die Teilnehmer sollen über Impulsreferate zu jeweiligen Schwerpunktthemen neues Wissen gewinnen und sich darüber unmittelbar untereinander austauschen können. Wissenszuwachs und Vernetzungsgewinne sind dabei unvermeidlich.
Ort der Veranstaltung ist das von Norman Foster konzipierte Tec-Center im Duisburger Technologiepark „Tectrum“, heute ein Campus der Innovation und Inspiration für junge wie für etablierte Wachstumsunternehmen.